Einen Tautropfen betrachtend,
entdeckte ich das Geheimnis des Meeres.
Khalil Gibran
Noch vor gar nicht so langer Zeit befand ich mich gemeinsam mit einer Gruppe auf der Huysburg zu Tagen, die mit dem Titel Mut zur Stille überschrieben waren.
Die Huysburg – ein Kloster, Tagungs- und Gästehaus – ist ein schöner Ort, in Sachsen-Anhalt in der Nähe von Halberstadt, der uns für eine Woche aufgenommen und seine Gastfreundschaft erfahren lassen hat – mitten im Grünen, umgeben von Wiesen und Bäumen.
Und ich muss sagen, ich freute mich schon auf das Morgenritual, das ich schon aus früheren Jahren kannte und schon damals als sehr erfrischend und erdend erlebt hatte.
Jeden Morgen waren wir eingeladen, barfuß durch eine Wiese zu waten, tautretend aufmerksam zu werden für den Boden unter unseren Füßen, wach und achtsam werdend für den neu beginnenden Tag.
Zugegeben, die ersten Tage waren dann eher die Fakir-Variante, wie ich es scherzhaft nannte. Wir wateten durch eine gemähte, sehr trockene Wiese, die mit harten Stoppeln durchsetzt war – keine Tautropfen an den Grashalmen, keine Feuchtigkeit, die das Moos wie einen Schwamm füllte und weich werden ließ. Das Gehen war dadurch oft beschwerlicher und meine Aufmerksamkeit richtete sich vorwiegend darauf hin, bei jedem Schritt für jeden Fuß einen guten Boden zu finden.
Doch nach einem stärkeren Regenguss war es morgens dann wieder möglich, das Ritual des Tautretens voll zu genießen.
Die Feuchtigkeit, die kleinen Tropfen an jedem Grashalm, die in der Sonne funkelten, machten die Wiese zu einem weiten Feld, das sich weich unter den Füßen ausbreitete.
Was ein kleiner Tautropfen, was ein wenig Feuchtigkeit alles verändern kann.
Dass wir immer neu guten Boden unter den Füßen finden können, und dass wir auch in dem Kleinen das Große entdecken, das wünschen wir Euch und Ihnen – nicht nur für diesen Sommer, sondern auch darüber hinaus.
Eure Franziskanerinnen sf